Tanz der Masken

„Die Luft ist feucht und klebrig. Nicht zum Atmen. Offenbar wird die Masken-Kammer nur spärlich geöffnet. Spinnweben erfreuen sich dieses Klimas. Sie tanzen in langen Schlangen von der Decke herunter. Noch ist es dunkel. Die Dämmerung schleicht nur zaghaft durch die Ritzen im Gebälk.

Doch plötzlich gibt’s einen Ruck durch das Gemach, die Tür schlägt auf und wieder zu. Zurück bleibt eine gewisse Unruhe. Der König wird nervös. Sein übernächster Nachbar fehlt. Hat er sich davon gemacht? Einfach so? Oder hatte er einen Grund?

Auch gegenüber tut sich etwas. Ein leises Stöhnen. Ist schon Morgen? Ach, da liegen ja noch andere. Wer bist du? Wie heisst du?

Ich bin ein König. War König. Auch meine Vorfahren waren Könige. In nummerierten Dynastien. Ihre Grabstätten zeugen heute noch von ihrem Glanz und Reichtum. Im Tal der Könige, in Felsentempeln, in Pyramiden. Ramses, Tutanchamun, Cheops. Und wie sie alle hiessen. Nenn mich einfach Husni.

Mein Onkel? Ich bin Ruby, deine Nichte!

Ruby? Was machst du denn hier? Als ich dich das letzte Mal sah – es war in Marrakesch – warst du noch ein kleines Mädchen. Und hast so schön getanzt.

Ich tanze immer noch. Bunga Bunga. In Certosa. Ganze Nächte. Mein Cavaliere hat gesagt, ich müsse jetzt noch einen andern Tanz lernen: Walza Walza. Weißt du, wie das geht?

Ich kümmere mich nicht ums Tanzen. Ich tauche lieber: Unter Unter.

Wer macht denn hier so einen Krach? – Ein Gesicht windet sich aus einer Kapuze heraus. – Ich habe so schön geschlafen und geträumt. Vom reichen Oel. Von sprudelnden Oasen. Von tanzenden Salven. Von stürmischem Sand. Euer Krach hat mir meinen Traum geraubt.

Aber Muammi, sei doch vernünftig. Du hast keinen Grund gegen uns die Faust zu machen. Denk doch an deine guten Zeiten zurück, als die ganze Welt um dich herum tanzte. Du mitten drin. Wie ein Dompteur. Alle Grössen tanzten nach deiner Peitsche. Machten das Männchen, brüllten mit dir und lachten mit dir. Auch stellten sie dir ihre schönsten Gärten zum Campieren zur Verfügung: le champ de mars, den Südrasen des Weissen Hauses, die Costa Smeralda, Charlottenburg.

Du hast gut reden Husni. Du liegst sicher in deinem schönsten Ferienparadies und dein Geld unantastbar in Schweizer Banken. Ich darf mich dort nicht einmal mehr zeigen. Auch Cominotto erlaubt mir nicht, mein Beduinenzelt dort auf zu schlagen.“ 1)

1) © Walter Böniger, 23.2.2011 (Aus Vorsichtsgründen, falls es Bayreuth einfallen sollte, mir mein Doktorhaupt zu entblössen.)